Familienstellen - Was ist das?

Familienkonflikte und Bindungsstörungen erkennen und lösen!

Das Familienstellen ist eine tief gehende Methode zum Erkennen und lösen vieler persönlicher Probleme. Lebenslange Konflikte mit Eltern und Kindern, unerklärliche Lebensgefühle, wiederkehrende Partnerschaftsprobleme und andere Konflikte haben meistens einen familiären Hintergrund. Viele individuelle Schwierigkeiten und zwischenmenschliche Konflikte entstehen nicht durch Charakterschwächen oder durch Unfähigkeit, sondern weil auf unbewusster Ebene die grundlegende soziale Beziehungen gestört sind. Familienaufstellungen decken solche unbewussten Beziehungsmuster auf und zeigen, wie die Mitglieder einer Familie oder einer sozialen Gruppe zueinanderstehen und bringen problematische Beziehungen wieder in die Ordnung.

Der Vorgang einer Familienaufstellung

In Familienaufstellungen werden die Familienmitglieder durch Stellvertreter (andere Gruppenmitglieder) im Raum aufgestellt. Die Aufstellung zeigt die Dynamik des Familiensystems und bildet die verborgenen Verstrickungen zwischen den Mitgliedern ab. Die Stellvertreter bekommen Zugang zu Empfindungen und Gefühlen der Personen, die sie darstellen und drücken diese Gefühle aus. Sie spiegeln die für die Familie typischen Muster und machen sichtbar, gegen welche Ordnung verstoßen wird. Im Verlauf der Familienaufstellung werden die Ordnungen wieder hergestellt. Ausgeschlossene Familienmitglieder erhalten den ihnen zustehenden Platz in der Familie. Zuständigkeiten zwischen Eltern und Kindern werden geklärt, übernommene Gefühle und Aufträge werden zurück gegeben und Tote werden verabschiedet.

Zur Problemlösung genügt in der Regel einem Aufstellenden das innere Erleben; tatsächliches Handeln ist selten nötig. Auf einer tiefen seelischen Ebene bringt eine Familienaufstellung Entlastung und eröffnet neue Wege und Freiheiten. Da in einer Familie alle durch unsichtbare Fäden miteinander verbunden sind, geschieht es nicht selten, dass eine Aufstellung auch auf das ganze System wirkt und nachhaltige positive Veränderungen möglich werden.

Die Ordnungen der Liebe (Bert Hellinger)

Bert Hellinger, Psychoanalytiker und Familientherapeut entwickelt das uns heute bekannte systemische Familienstellen.

Für das Zusammenleben gibt es Regeln, deren Einhaltung bestimmt, wie sich die Beziehungen zwischen den Menschen entwickeln:

• das Prinzip der Rangordnung,

• das Recht auf Zugehörigkeit,

• der Ausgleich von Geben und Nehmen.

Das Prinzip der Rangordnung verlangt, dass jedes Familienmitglied seinen ihm zustehenden Platz einnimmt. Keiner darf sich in fremde Angelegenheiten einmischen: Die Eltern sind die Großen und die Kinder nur ihre Kinder. Die Eltern regeln ihre Angelegenheiten allein und die Kinder mischen sich nicht in die Angelegenheiten der Eltern ein. Wird diese Regel nicht beachtet, geraten die Ordnungen durcheinander, was meistens zu Konflikten führt. Es schwächt die Erwachsenen und belastet die Kinder.

Ein Recht auf Zugehörigkeit im Familiensystem haben alle Familienmitglieder, niemand darf ausgegrenzt, ausgestoßen oder vergessen werden. Wird dieses Recht verletzt, identifiziert sich ein jüngeres Familienmitglied mit dem Ausgegrenzten und vertritt ihn im System. Dieses Familienmitglied lebt dann ein fremdes Schicksal nach.

Geben und Nehmen sind im Ausgleich, wenn derjenige, der genommen hat, etwa soviel zurück gibt wie er bekommen hat. Idealerweise gibt man im Guten ein bisschen mehr, und im Schlechten ein bisschen weniger, damit die Beziehung weiter bestehen kann. Ist Geben und Nehmen nicht in ungefährem Ausgleich, muss ein jüngeres Familienmitglied diese Forderung im System lebendig halten.

Verstrickungen und Familiendynamik

Schicksale und einschneidende Ereignisse, die sich tragisch auswirken können, kommen in jeder Familie vor, Familienmitglieder sterben viel zu früh; Trennungen, schwere Krankheiten oder Behinderungen belasten die Familie. Ereignisse wie Kriege und Vertreibung wirken einschneidend und belastend. Kinder mischen sich oft in solche Schicksale ein. Die Einmischung geschieht aus Liebe, aber sie tut niemandem gut. Denn die systemische Ordnung verlangt, dass jedes Familienmitglied selbst seine Angelegenheit regelt und jeder sein Schicksal selbst trägt. Wer sich in fremde Angelegenheiten mischt, verlässt seinen Platz, und das hat fast immer weitreichende Folgen, die sich bis in die nachfolgenden Generationen auswirken können.

In der Regel lassen sich die Ursachen und Folgen von Verstrickungen auf eine Verletzung der Systemregeln - familiäre Ordnung, Recht auf Zugehörigkeit und Ausgleich von Geben und Nehmen - reduzieren.

Wird gegen diese Regeln verstoßen entstehen Verstrickungen:

• Kinder können nicht mehr Kinder sein

• Kinder übernehmen fremde Gefühle

• Kinder geraten zwischen die Fronten

• Kinder zieht es zu den Toten

Kinder können nicht Kinder sein, wenn die Energie eines Paares anstatt auf die Partnerschaft sich auf die Kinder richtet oder wenn ein Kind den Partner ersetzt. Die Paarbeziehung geht der Elternschaft zeitlich voraus, und damit hat sie den Vorrang vor der Beziehung zu den Kindern. Die Energie des Paares muss also zuerst aufeinander gerichtet sein und erst dann auf die Kinder. Richtet sich die Aufmerksamkeit eines Paares zu sehr auf die Kinder, rückt die Paarbeziehung in den Hintergrund. Die elementaren Bedürfnisse eines Paares nach Liebe und Zuwendung werden nicht mehr befriedigt. Eltern suchen dann oft bei ihren Kindern das, was sie beim Partner nicht mehr finden. Kinder können aber ihren Eltern unmöglich das geben, was sie vom Partner nicht bekommen. Mit einer solchen Anforderung sind Kinder restlos überfordert. Als Partnerersatz verlassen sie auch ihren Platz und übernehmen Aufgaben eines Elternteils. Ist eine Partnerschaft gefährdet, springt nicht selten ein Kind als Partnerersatz ein, um für einen enttäuschten und bedürftigen Elternteil der bessere Mann oder die bessere Frau zu sein, oder um einen, der gehen möchte, am Gehen zu hindern. Der 5-jährige Sohn wird zum Partnerersatz für die Mutter, weil der Vater diese Rolle nicht mehr übernimmt, und der Sohn gebärdet sich fürsorglich, liebevoll und verantwortungsbewusst. Die unreife Tochter übernimmt die Rolle als Partnerin für den Vater. Sie verhält sich wie eine erwachsene Frau, die versucht, den Vater in der Familie zu halten. Meist gibt es ein unausgesprochenes Einverständnis der Beteiligten, das die verkehrten Verhältnisse akzeptiert.

Kinder, die für einen Elternteil den Partner ersetzten, haben fast immer Probleme mit ihren eigenen Partnerschaften. Der Platz an ihrer Seite ist durch Vater bzw. Mutter bereits besetzt. Und sie können nicht in ihre Rolle als Mann und Frau hineinwachsen, da das Mädchen nur an der Seite der Mutter zur Frau, und der Junge an der Seite seines Vaters zum Mann wird.

Kinder können auch nicht die Defizite der Eltern aus deren Kindheit ausgleichen. Das können nur die eigenen Eltern. Ein Vater oder eine Mutter, die sich noch immer nach der bedingungslosen Liebe der Eltern sehnt, gerät in Versuchung, die fehlende elterliche Liebe mit der bedingungslosen Liebe seines eigenen Kindes zu verwechseln. Dann übernimmt ein Kind, z. B. die Rolle seiner Oma und versucht seiner Mutter eine gute Mutter zu sein.

Kinder übernehmen in den ersten Lebensjahren, in der Phase, in der ihr Bedürfnis nach Zugehörigkeit am größten ist, viele Gefühle aus der Familie, die ihr Leben ganz entscheidend beeinflussen können.

Übernommene Gefühle schlummern lange Zeit im Verborgenen. In der Regel bemerken wir sie nur dann, wenn sie mit unserer eigenen Lebensplanung oder unseren Lebensumständen in Konflikt geraten. Zum Beispiel, wenn wir unser Bedürfnis nach beruflicher Verwirklichung nicht leben können, uns vergeblich eine Partnerschaft wünschen, oder uns traurig und leer fühlen, obwohl es in unserem Leben dafür keinen Grund gibt.

Wir übernehmen vielleicht die unterschwellige Trauer des Vaters über die früh verstorbene Mutter, die wir aber selbst gar nicht kennen. Oder wir übernehmen das Gefühl von Heimatlosigkeit von den vertriebenen Großeltern und fühlen uns, obwohl wir nirgendwo vertrieben wurden, auch heimatlos. Diese ursprünglichen starken Gefühle werden manchmal von einer Generation an die nächste weitergegeben, ohne viel an Kraft zu verlieren.

Kinder geraten zwischen die Fronten, wenn sie offen oder verdeckt, in elterliche Konflikte einbezogen werden., z. B. wenn sie in Streitfällen den eindeutigen Auftrag erhalten, zwischen den Eltern zu vermitteln: „Rede doch mal deiner …“, oder „Kannst du nicht mal deinem Vater sagen …“.

Kinder können sich dagegen kaum wehren. Wenn man sie lässt, fühlen sich die Kinder verantwortlich und versuchen die Konflikte zu lösen. Darum greifen sie oft sogar von sich aus in elterliche Konflikte ein und erklären Vater oder Mutter, wie sie sich zu verhalten haben. Sie glauben fest daran, dass ihre Hilfe etwas fruchtet und nicht selten haben sie sogar Erfolg damit. Doch das ist besonders schlimm. Dann wird zu einer prägenden Erfahrung dieser Kinder, dass sie es sind, die eigentlich das Sagen haben und, dass ohne ihre Hilfe nichts geht. Diese Kinder bekommen eine Wichtigkeit, die ihnen gar nicht zusteht. Sie verlieren die Achtung vor ihren Eltern und fühlen sich den Eltern gegenüber überlegen. Sie können von ihren Eltern nicht mehr nehmen, da sie sich größer als ihre Eltern fühlen. Dadurch nehmen sie einen falschen Platz in der Familie ein, sind nicht mehr ausschließlich Kind, und das ist äußerst belastend.

Wenn die Eltern, aus welchen Gründen auch immer, nicht auf ihrem Platz stehen, springen eben die Kinder ein. Im späteren Leben haben diese Kinder Probleme, sich gegenüber fremden Konflikten abzugrenzen und sich nicht in die Angelegenheiten fremder Menschen einzumischen. Aus ihren familiären Erfahrungen heißt ihr Lebenskonzept, „Ich habe die Aufgabe Konflikte zu lösen, ohne mich geht es nicht, andere sind unfähig“.

Kinder zieht es zu den Toten, wenn Eltern, und Geschwister viel zu früh gestorben sind. Der frühe Tod von Familienmitgliedern gehört zu den schlimmsten Schicksalsereignissen. Sie wirken häufig über mehrere Generationen nach und bestimmen viele Schicksale. Besonders für Kinder ist der Verlust eines Elternteils oder eines Geschwister ein traumatisches Ereignis, je kleiner sie sind, umso schlimmer wirkt er sich aus. Die tiefe und absolute Bindung des Kindes an seine Familie führt dazu, dass sich das Kind verzweifelt nach dem Menschen sehnt, der nicht mehr da ist. Die ungestillte, tiefe Sehnsucht nach dem geliebten Menschen bleibt oft ein Leben lang, ohne das es den Betroffenen selbst bewusst ist. Aber mit einem Teil ihrer Lebensenergie sind sie oft bei dem Toten. Einige geben ihrer Sehnsucht tatsächlich nach und beschließen zu sterben. Andere überlassen die Entscheidung dem Zufall. Sie fordern den Tod förmlich heraus, z. B. in dem sie wie wahnsinnige Auto fahren, gefährliche Sportarten betreiben. Die meisten Menschen, die in der Kindheit Vater, Mutter oder ein Geschwister verloren haben, bleiben im Leben und geben dem Sog, zu den Toten zu gehen, nicht nach. Aber innerlich lebt ein Teil von ihnen bei den Toten. Sie leben mit gebremster Kraft und fühlen sich oft traurig und schwer. Werden sie später selbst zu Eltern, setzt eine tragische Dynamik ein. Denn ihre Kinder spüren die Sehnsucht von Vater und Mutter nach den Toten, und sie versuchen die Eltern zu retten. Die Kinder glauben, wenn sie selbst in den Tod gehen, könnten Vater und Mutter bleiben. Innerlich sagen sie: „Lieber gehe ich als du“. Auch ihnen fehlt ein Teil ihrer Lebenskraft. Einige gehen tatsächlich, andere finden einen anderen Weg aus dem Leben zu gehen.

Der Tod von wichtigen Bezugspersonen in der Kindheit kann sich über mehrere Generationen unheilvoll auswirken. Bindung, bedingungslose Liebe und der Wunsch zu retten sind bei allen Kindern gleich. Der Versuch zu retten ist das eigentliche Problem. Durch die gutgemeinte Einmischung findet das Schlimme kein Ende, es setzt sich nur ungehindert weiter fort. Eine Lösung gibt es nicht, denn kein Kind kann Vater oder Mutter vor dem Tod retten, wenn diese sich innerlich dazu entschieden haben. Eine Lösung gibt es erst dann, wenn die Kinder, die Entscheidung und das Schicksal ganz bei ihren Eltern lassen. Der lösende Satz ist: „Auch wenn du gehst, ich bleibe“.